Junge Forscher auf eigenen Beinen
„Cells in Motion“ Pilotprojekt am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin und Institut für Neuropathologie bewilligt
Zu lernen, auf eigenen Beinen zu stehen, ist für junge Forscher nicht leicht. Umso mehr freuen sich die Doktoranden Michael Glatza und Lydia Wagner vom Max-Planck-Institut (MPI) für molekulare Biomedizin und Marc Ehrlich vom Institut für Neuropathologie der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, dass ihr interdisziplinärer Projektantrag im Rahmen der Pilotprojekte des Exzellenzclusters „Cells in Motion“ für ein Jahr mit €20.000 bewilligt wurde. Am 1. November 2015 startet die Zusammenarbeit der jungen Forscher. Ziel des Projektes ist es, im Labor mit Stammzellen „Mini-Gehirne“ herzustellen, in denen die Wissenschaftler untersuchen können, wie Fortsätze von Nervenzellen mit einer Schutzschicht umwickelt werden. Bei Krankheiten wie Multipler Sklerose (MS), aber auch bei Morbus Parkinson, Amyotropher Lateralsklerose (ALS), und Frontotemporaler Demenz (FTD) geht diese sogenannte Myelinschicht zugrunde, was zu einer gestörten Nervenleitung führt.
Die Myelinisierung der Fortsätze von Nervenzellen ist sehr wichtig für die Kommunikation zwischen Nervenzellen untereinander und zwischen Nervenzellen und z. B. Muskeln. In vielen neurodegenerativen Erkrankungen wird diese Myelinschicht angegriffen. Durch die sogenannte iPS-Technologie ist es seit einigen Jahren möglich, ausgereifte Zellen von Patienten in ihren Urzustand zurückzuversetzen und anschließend in z. B. Nervenzellen umzuwandeln. Dadurch können Forscher eine Vielzahl an „kranken“ Nervenzellen züchten und Krankheiten in der Kulturschale nachbilden.
„Krankheitsmodelle in der Kulturschale bilden die Situation im Patienten jedoch nicht vollständig ab, da die Fortsätze der erzeugten Nervenzellen zum Beispiel nicht mit einer Myelinschicht umwickelt werden. Und diese ist für die Signalweiterleitung sehr wichtig“, sagt Michael Glatza, Doktorand in der Abteilung von Professor Dr. Hans Schöler am MPI für molekulare Biomedizin.
Die Zellen, die für die Bildung der Myelinschicht zuständig sind, heißen Oligodendrozyten. Marc Ehrlich, Doktorand bei Professorin Dr. Tanja Kuhlmann vom Institut für Neuropathologie begründet den Fokus auf diese Zellart: „In klassischen zellulären Modellen, in denen die Zellen flach auf der Kulturschale gezüchtet werden, findet keine vollständige Reifung der Myelinschicht statt. Deshalb kann man bestimmte Krankheitsaspekte bisher nur unzureichend untersuchen.“
Die jungen Forscher möchten nun ein dreidimensionales Zellmodell verwenden. „In sogenannten zerebralen Organoiden, „Mini-Gehirnen“ also, ist es möglich, die neuronale Entwicklung des Menschen in der Kulturschale nachzuvollziehen“, sagt Lydia Wagner, Doktorandin bei Professor Dr. Hans Schöler und am Center for Regenerative Therapies (CRTD) Dresden. „Wir möchten mithilfe der Mini-Gehirne nun den Myelinisierungsprozess menschlicher Oligodendrozyten nachbilden. Dazu werden wir aus Patientenzellen mit der iPS-Technologie Oligodendrozyten ableiten“, sagt Marc Ehrlich. Wenn das 3D-Zellmodell für die Myelinisierung etabliert ist, möchten die Doktoranden damit den Einfluss neuer Wirkstoffe auf diesen Prozess untersuchen.
„Da wir drei Doktoranden sind, freuen wir uns besonders über die Auszeichnung, da es für uns das erste Mal ist, dass wir ein Projekt vollkommen selbständig entwickelt haben: angefangen bei der Idee für das Projekt bis hin zu den finanziellen Kalkulationen. Das war schon ziemlich neues Terrain für uns“, sagt Lydia Wagner. „Es hat auch Spaß gemacht, über den Tellerrand hinauszuschauen, gemeinsam zu brainstormen, uns an top-aktuellen Techniken zu orientieren und die Arbeit von unseren beiden Arbeitsgruppen in einem Projekt zu vereinen“, ergänzen Michael Glatza und Marc Ehrlich.
Das Exzellenzcluster „Cells in Motion“ (CiM) leistet mit der Finanzierung der Pilotprojekte eine Anschubfinanzierung für innovative, interdisziplinäre Projekte. Mit dieser Möglichkeit, eigenständig erste Projekte zu beantragen, möchte CiM junge Forscherinnen und Forscher aus CiM-Arbeitsgruppen auf dem Weg zu einer unabhängigen wissenschaftlichen Karriere unterstützen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern.