Wenn Zellen die Luft ausgeht, geht ein Licht an

Münstersche Wissenschaftler entwickeln neue Methode, um akuten Sauerstoffmangel in Zellen anzuzeigen

3. Februar 2016

Für Zellen ist Sauerstoff überlebensnotwendig. Sinkt die Sauerstoffzufuhr etwa infolge eines Herzinfarkts, drohen langfristige Schäden. Wie schwerwiegend solche Schäden tatsächlich sind, lässt sich allerdings erst einige Stunden oder Tage später beurteilen. Wissenschaftler aus Münster haben nun erstmals mithilfe der Mikroskopie den Effekt einer Sauerstoff-Unterversorgung (Hypoxie) auf einzelne Zellen beobachtet (EMBO Journal (2016) 35: 102–113). Das war bisher technisch nicht machbar, weil es keine Möglichkeiten gab, einen akuten Sauerstoffmangel durch sogenannte Reporter anzuzeigen. Einen solchen Reporter entwickelte die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Friedemann Kiefer und Prof. Dr. Michael Schäfers im Rahmen des Exzellenzclusters „Cells in Motion“ (CiM) und des Sonderforschungsbereichs 656 „Molekulare kardiovaskuläre Bildgebung“ der Universität Münster.

Der Reporter besteht aus einem Protein-Anteil und einem besonderen DNA-Molekül, einem sogenannten DNA-Konstrukt. Er wird genetisch so codiert, dass in der Zelle unter Sauerstoffmangel fluoreszierende Moleküle ausgeprägt werden, die zum Leuchten gebracht werden können und dadurch den Ort des Geschehens mikroskopisch sichtbar machen. Die Wissenschaftler verwendeten erstmals ein Reporter-Protein eines Aals, um Hypoxie anzuzeigen. Der Clou: Im Gegensatz zu anderen vielfach eingesetzten fluoreszierenden Proteinen benötigt dieses spezielle Protein keinen Sauerstoff, um fluoreszieren zu können. Das ist entscheidend, wenn Wissenschaftler unter dem Mikroskop akuten Sauerstoffmangel verbildlichen wollen. Denn auf diese Weise sehen sie eine Fluoreszenz bei einer akuten Hypoxie. „Wenn eine Zelle also erstickt, geht ein grün fluoreszierendes Licht an, und wir sehen, wie dramatisch die Hypoxie ist“, erklärt Biochemiker Friedemann Kiefer, der am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster forscht.

Neu ist auch: Dieser Reporter reagiert besonders sensibel auf die Sauerstoffversorgung einer Zelle. Erholt sich eine Zelle, weil sie wieder ausreichend Sauerstoff erhält, nimmt das Leuchten ab. Da die Forscher für ihre Versuche verschiedene Reporter nutzen, leuchten in diesem Erholungszustand andere Reporter auf. „Mit den bisherigen Methoden konnten wir lediglich nachweisen, dass es überhaupt zu einer Sauerstoff-Unterversorgung gekommen ist“, sagt Friedemann Kiefer. „Mithilfe der verschiedenen Reporter beobachten wir nun einen dynamischen Prozess und können langfristige Folgen einer Hypoxie sehr genau erforschen.“ Die Wissenschaftler können also nicht nur beurteilen, ob eine Zelle einmal hypoxisch war, sondern ob der Zustand auch anhält.

Da der neue Reporter hochsensibel auf einen Sauerstoffmangel reagiert, ergeben sich ganz neue Einsatzmöglichkeiten in der Wissenschaft. Mit der Kombination des Aal-Proteins und der Lichtmikroskopie lassen sich Krankheiten und ihr Verlauf darstellen. Das ist in größerem Format bereits seit Langem möglich. Mit der sogenannten Positronen-Emissions-Tomographie (PET) können Ärzte und Wissenschaftler auf Krankheiten schließen oder sehen, wo im Körper zum Beispiel eine Infektion entsteht. Ähnliche Bilder sind mit dem neuen Reporter nun auch unter dem Mikroskop möglich. „Das schließt eine Lücke zwischen der molekularen Bildgebung und der Mikroskopie“, sagt Mediziner Michael Schäfers, Co-Koordinator des CiM-Exzellenzclusters. „Das ist ein großer Erfolg für Bildgebungsverfahren in der Forschung und im Klinikeinsatz.“

CiM

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