Das Blutgefäß dicht halten – wie der Tie-2 Signalweg Lecks während der Immunzell-Auswanderung verhindert
MTZ®-MPI-Award 2019 an Dr. Laura Braun
Am 20. November 2019 ehrt die MTZ®stiftung Dr. Laura Braun. Sie hat in der Abteilung von Professor Dr. Dietmar Vestweber am Max-Planck-Institut (MPI) für molekulare Biomedizin eine bedeutsame Doktorarbeit über die Barriere-Funktion von Blutgefäßen absolviert. Seit 2009 ehrt die MTZ®stiftung jährlich junge Wissenschaftler am MPI für molekulare Biomedizin mit dem MTZ®-MPI-Award, der mit 2.500 Euro dotiert ist. Das Stifterehepaar Monika und Thomas Zimmermann möchte auf diese Weise junge Menschen auf ihrem Weg in der Forschung unterstützen.
Wenn Fremdstoffe oder Gewebeverletzungen einen Reiz für unser Immunsystem setzen, reagiert der Körper blitzschnell mit einer Entzündung. Dadurch wird es möglich, das betroffene Gewebe mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen und den Austritt von Immunzellen zuzulassen, um die Infektion zu bekämpfen.
Diese Vorgänge werden über die Zellen der Blutgefäßwand, die Endothelzellen, kontrolliert. Um einen Entzündungsherd herum ist die Durchlässigkeit der endothelialen Zellschicht erhöht, was den Austritt von Plasmaproteinen und Immunzellen ins Gewebe ermöglicht. Während diese lokale Steigerung der endothelialen Durchlässigkeit oder Permeabilität für die lokale Bekämpfung einer Infektion absolut notwendig ist, kann andauernde Hyperpermeabilität schwerwiegende und irreparable Schäden verursachen, zum Beispiel nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, bei akutem Lungenversagen, Diabetes oder Sepsis. Das Verständnis der Signalwege, die in Endothelzellen wirken, um die Gefäßpermeabilität zu steuern, bietet daher die Grundlage für die Entwicklung von Therapien für diese Erkrankungen.
Laura Braun hat in ihrer Doktorarbeit einen solchen Signalweg untersucht, der durch die endotheliale Kinase Tie-2 gesteuert wird. Tie-2 ist eine Rezeptor-Tyrosinkinase: das ist ein an die Zellmembran gebundener Rezeptor, dessen intrazelluläre Domäne eine Enzymgruppe, die Tyrosinkinase, trägt. Durch Aktivierung von Tie-2 wird über mehrere Schritte das Aktin-Zytoskelett, wenn man so will das Gerüst der Zelle, umstrukturiert: destabilisierende Strukturen, sogenannte Stressfasern, werden aufgelöst und stabilisierende Strukturen, kortikales Aktin genannt, werden gebildet.
Eine entscheidende, bisher unbekannte, Stellschraube im durch Tie-2 stimulierten Signalweg, die Laura Braun in ihrer Doktorarbeit charakterisiert hat, ist das Protein FGD5. „FGD5 ist ein wichtiger Aktin-Regulator“, sagt Laura Braun. „Erst seine Aktivierung ermöglicht den Abbau von Stressfasern und die Bildung von kortikalem Aktin und die damit verbundene Stabilisierung der endothelialen Barriere.“
Die Regulation des Aktins durch Tie-2 und FGD5 spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der Entzündungsreaktion: sie verhindert, dass es während der Auswanderung von Immunzellen zu passiver Leckage durch die Gefäßwand kommt. „Es ist erstaunlich, dass sich eine komplette Immunzelle durch die Endothel-Zellschicht zwängen kann, ohne dass dabei passiv Flüssigkeit austritt. Ich konnte nun zeigen, dass Tie-2 und FGD5 notwendig sind, um diesen passiven Flüssigkeitsverlust zu verhindern, und zwar, indem sie die Bildung eines kortikalen Aktin-Rings um auswandernde Immunzellen anregen,“ sagt Laura Braun. Dieser Ring begrenzt die Öffnung, die sich für die Zelle bildet, und zieht sich fest zusammen während sie die Endothelzellschicht überquert. So werden Lecks verhindert und die Barriere aufrechterhalten.
Die stabilisierende Wirkung von Tie-2 birgt großes klinisches Potenzial. Schon heute werden Tie-2-Aktivatoren in klinischen Studien zur Behandlung von Erkrankungen getestet, die durch Instabilität der Blutgefäße gekennzeichnet sind. Ein besseres Verständnis der von Tie-2 gesteuerten Prozesse könnte den Weg für weitere Therapien ebnen.
Über Laura Braun
Laura Braun (31) studierte Biowissenschaften und Molekulare Biomedizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Während ihres Masters absolvierte sie eine Forschungsarbeit am Karolinska Institut in Stockholm, Schweden, bevor sie 2014 ihre Doktorarbeit in der Arbeitsgruppe von Dietmar Vestweber am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin begann. Diese verteidigte sie erfolgreich im Juni 2018. Aus ihren Daten gingen zwei Publikationen hervor: eine wurde bereits in EMBO Reports veröffentlicht, die zweite befindet sich aktuell bei der angesehenen Fachzeitschrift Blood unter Begutachtung.