Zellen in der optischen Zange
„Cells-in-Motion“ ermöglicht Pilotprojekt mit neuartiger optischer Pinzette zur Erforschung des Blutflusses
Das Exzellenzcluster „Cells-in-Motion“ (CiM) führt Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen, zum Beispiel Biologe Wade Sugden (Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin) und Physiker Robert Meißner. Die beiden Doktoranden wollen es im Rahmen eines sogenannten Pilotprojekts schaffen, auf Zellen wirkende Kräfte und ihre Viskoelastizität in vivo und direkt im Blutfluss konkret zu bestimmen.
Vor rund einem Jahr zeigte Physikdoktorand Robert Meißner auf einer Veranstaltung des Exzellenzclusters „Cells in Motion“ (CiM) der Universität Münster, was er als Physiker mit der sogenannten optischen Pinzette anstellt. Er kann mit ihr winzige Objekte wie Blutkörperchen im lebenden Organismus festhalten und steuern, ganz einfach mit Licht und deshalb berührungslos und ohne Gewebe zu verletzen. Perfekt für den Einsatz in der biologischen Forschung. Allerdings nutzen Biologen die optische Pinzette bisher nur vereinzelt. Umso begeisterter reagieren sie, wenn Physiker wie Robert Meißner die Technik und ihre Einsatzmöglichkeiten vorstellen. So erging es auch Doktorand Wade Sugden. Der Biologe des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin in Münster traf auf der CiM-Veranstaltung auf Robert Meißner. Dieses Treffen war der Startschuss für eine intensive Zusammenarbeit der beiden Nachwuchswissenschaftler der Forschungsgruppen von Prof. Cornelia Denz und Dr. Arndt Siekmann.
Physiker Robert Meißner und Biologe Wade Sugden verfolgen seitdem gemeinsam eine wissenschaftliche Frage: Welchen Einfluss hat die Gefäßgeometrie auf den Blutfluss? Dafür untersuchen sie in Zebrafischembryos, welche Kräfte auf rote Blutkörperchen in Venen und Arterien wirken. Und wie elastisch Blutkörperchen sind, auf die solche Kräfte wirken. Damit diese Untersuchungen allerdings gelingen, müssen sie rote Blutkörperchen im Blutfluss mit der optischen Pinzette festhalten und genau messen, wie groß die Kraft und Elastizität ist. Die Idee dahinter: Zellprozesse hängen von der Viskoelastizität ab – und andersherum. Ist eine Zelle krank, verändert sich ihre Viskoelastizität. Und das lässt sich messen. Biologen bestimmen Kräfte und Viskoelastizität zwar bereits. Doch Aussagen über die konkrete Intensität der beiden Größen in vivo lassen sich bisher kaum machen. Genau das haben sich Robert Meißner und Wade Sugden nach der CiM-Veranstaltung vorgenommen.
Der Exzellenzcluster unterstützt die Forschung im Rahmen eines sogenannten Pilotprojekts. Das sind kleine Forschungsprojekte von Nachwuchswissenschaftlern, also Doktoranden oder Postdoktoranden. Sie erhalten finanzielle Mittel unter einer Bedingung: Die Projektpartner müssen aus unterschiedlichen Fachrichtungen an einer gemeinsamen wissenschaftlichen Frage arbeiten. „Mit den ersten eigenständigen Projekte animieren wir junge Forscherinnen und Forscher aus CiM-Arbeitsgruppen für ihren Weg zu einer unabhängigen wissenschaftlichen Karriere und fördern die interdisziplinäre Zusammenarbeit“, sagt Prof. Lydia Sorokin, Sprecherin des Exzellenzclusters CiM.
Robert Meißner und Wade Sugden leben diesen Ansatz: „Es ist unheimlich spannend, mit Wissenschaftlern anderer Fachrichtungen zusammenzuarbeiten“, sagt Robert Meißner. „Wir diskutieren gemeinsam wissenschaftliche Fragestellungen, besprechen genaue Anforderungen an die Technik und suchen gemeinsam Lösungen.“ So wachsen beide Disziplinen weiter zusammen. Wade Sugden erklärte dem Physiker zum Beispiel anatomische Grundlagen und den Stand der Forschung mit Zebrafischen. Der Physiker zeigte dem Biologen die Möglichkeiten der optischen Pinzette. Es war nicht immer einfach: Der Physiker strauchelte immer wieder an sehr langen biologischen Fachbegriffen. Er staunte dagegen nicht schlecht, als der Biologe die Herzschläge eines Fischembryos ganz direkt und einfach mithilfe einer Stoppuhr per Hand zählte. „Physiker würden ihre Ausrüstung nutzen, Kameras, Computer, Codes, ein Video des Herzschlags machen und einen Algorithmus schreiben, der mit etwas längerer Entwicklungsarbeit die Herzschläge automatisch erfasst“, sagt Robert Meißner.
„Durch die Studien mit der optischen Pinzette möchten wir die Variationen in Fließgeschwindigkeiten in den verschiedenen Blutgefäßen besser verstehen“, so Wade Sugden. „Denn Blutgefäße können durch das Ein- oder Ausschalten bestimmter Gene auf die Blutfluss-Art reagieren. Wir hoffen, dass wir eines Tages dieses Wissen nutzen können, um die genetischen und biophysikalischen Komponenten von Gefäßerkrankungen angehen zu können.“
SSch (CiM)/JMK