Abteilung Vaskuläre Zellbiologie
Professor Dr. Dietmar Vestweber
Wenn Retter sich einschleichen müssen
Ein unachtsamer Moment, ein kurzer Schmerz – schon sitzt der rostige Nagel im Finger. Jetzt heißt es für das Immunsystem blitzschnell reagieren. Binnen kürzester Zeit müssen Abwehrzellen aus dem Blut ins verletzte Gewebe einwandern, um Krankheitserreger so schnell wie möglich zu vernichten. Denn Mikroben können sich rasant vermehren und schwere Infektionen hervorrufen. Innerhalb weniger Sekunden müssen Immunzellen daher erkennen, dass sie sich durch infiziertes Gewebe bewegen und dort aus der Blutbahn ausscheren sollen.
Das gelingt dank einer ausgeklügelten Form der „Rasterfahndung“, wie Dietmar Vestweber und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herausgefunden haben. Wo immer im Körper eine Entzündung entsteht, verändert sich die innere Zellschicht der Blutgefäße, das Endothel. Plötzlich tauchen auf seiner Oberfläche Proteine auf, die dort sonst nicht zu finden sind. Genau auf diese Proteine haben es Immunzellen abgesehen: Sobald sie mit ihnen in Kontakt kommen, heften sich die Zellen so fest an, dass sie im schnell strömenden Blut nicht mehr weggespült werden können.
Neuerdings beginnt man auch zu verstehen, wie Immunzellen durch das Endothel zum Entzündungsherd gelangen. Studien der MPI-Wissenschaftler deuten darauf hin, dass Endothelzellen für das „Durchschleusen“ gezielt jene Kontakte öffnen und schließen, die sie untereinander wie Klettverschlüsse verbinden. Den „Code“ dafür liefern die Immunzellen: Haben sie angedockt, startet das Endothel den Öffnungsvorgang. Künftig wollen die Forscherinnen und Forscher auch aufklären, wie der Körper diesen Prozess reguliert. Denn eines steht fest: Geraten Entzündungsprozesse wie bei Multipler Sklerose oder rheumatoider Arthritis außer Kontrolle, ist auch gesundes Gewebe vor Attacken der Immunzellen nicht sicher.