Designer-Blut aus Münster

Wie aus Nabelschnurblut-Stammzellen viele rote Blutkörperchen werden

21. Oktober 2014
Blut ist ein lebensnotwendiger Bestandteil des menschlichen Lebens. Jeder von uns kann durch einen Unfall oder eine schwerwiegende Erkrankung auf die Versorgung mit Blutkonserven angewiesen sein. In Deutschland sind täglich 12.000 Blutspenden erforderlich, um den klinischen Bedarf zu decken. Vor allem die Sauerstoffträger, die roten Blutkörperchen, sind sehr gefragt. Blutkonserven sind nur begrenzt haltbar und lassen sich nicht künstlich herstellen – noch nicht. Denn ein Team um die Max-Planck-Forscher Dr. med. Isabel Dorn und Dr. Holm Zaehres hat nun erstmals mit Hilfe der innovativen iPS-Technologie aus Stammzellen des Nabelschnurbluts rote Blutkörperchen im Labor generiert (Haematologica, online vorab, 17. Oktober 2014).

Die Bereitstellung ausreichender Mengen an Blutkonserven ist immer noch eine große Herausforderung für die transfusionsmedizinischen Blutspendedienste im klinischen Alltag. Dabei besteht insbesondere Interesse an roten Blutkörperchen, den Erythrozyten, die für den Sauerstofftransport im Körper verantwortlich sind. Sie haben eine maximale Lebensdauer von etwa 4 Monaten. Den Nachschub an Erythrozyten liefern hämatopoetische Stammzellen aus dem Knochenmark. Seit einigen Jahren ist es möglich, aus diesen hämatopoetischen Stammzellen, Erythrozyten in Zellkultursystemen, also in vitro zu generieren. Allerdings sind hämatopoetische Stammzellen in vitro unter Erhaltung ihrer multipotenten Eigenschaften kaum kultivierbar. Somit ist auch die weitere Expansion von Erythrozyten aus solchen hämatopoetischen Stammzellen in vitro limitiert und rote Blutkörperchen können bis heute nicht in klinisch relevanten Mengen aus dieser „Quelle“ hergestellt werden.

Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin um Dr. med. Isabel Dorn und Dr. Holm Zaehres haben jetzt in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Peter Schlenke (Medizinische Universität Graz, vormalig Westfälische Wilhelms-Universität Münster) und weiteren Kooperationspartnern in Düsseldorf, Lübeck und San Sebastian einen neuen Weg zur Herstellung roter Blutkörperchen im europäischen Fachjournal Haematologica beschrieben: Die Forscher reprogrammierten zunächst hämatopoetische Stammzellen aus dem Nabelschnurblut in induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen), denn diese Zellen lassen sich in vitro nahezu unbegrenzt vermehren. Die Forscher haben dann erstmals aus diesen Nabelschnurblut-abgeleiteten iPS-Zellen in einem 45 Tage Protokoll über hämatopoetische Vorläuferpopulationen Erythrozyten differenziert. Diese in vitro erzeugten Zellen sind von nativen, aus dem Blut isolierten roten Blutkörperchen, morphologisch kaum zu unterscheiden und weisen wesentliche Charakteristika von vollständig differenzierten Erythrozyten auf.

Wichtige Vorarbeiten zu diesem Differenzierungsprotokoll lieferte Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Isabel Dorn während eines einjährigen Forschungsaufenthaltes an der Université Pierre et Marie Curie Paris, Frankreich (Professor Dr. Luc Douay). Isabel Dorn ist Fachärztin für Transfusionsmedizin und angehende Kinderärztin in der Pädiatrischen Hämatologie und Onkologie des Universitätsklinikums Münster. Frau Dorn erklärt, warum Nabelschnurblut als Ausgangsmaterial so wertvoll ist: „Nabelschnurblut ist sehr jung und noch nicht von Umwelteinflüssen belastet. Zudem ist es leicht zugänglich und wird schon seit vielen Jahren in Nabelschnurbanken aufbewahrt. Eigentlich ist Nabelschnurblut viel zu schade, um nach der Geburt als ‚Abfallmaterial’ entsorgt zu werden“.

Dr. Holm Zaehres, Projektgruppenleiter am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, ist Experte im Bereich iPS-Technologie. Er meint: „Noch ist die iPS-Technologie ein limitierender Faktor. Wenn die Expansion im großem Maßstab gelingt, können wir uns auf die biotechnologische Produktion von roten Blutkörperchen für den klinischen Einsatz konzentrieren.“

Es wird jedoch noch eine Weile dauern, bis rote Blutkörperchen aus Nabelschnurblut-iPS-Zellen tatsächlich ihren Einsatz in der Klinik finden. Die Wissenschaftler werden weiter intensiv daran forschen. Professor Dr. Peter Schlenke erklärt warum: „Wir haben die Vision, insbesondere hochimmunisierte Patienten oder Patienten mit seltenen Blutgruppen mit universal verwendbaren, im Labor gezüchteten Erythrozyten zu helfen, frei von Infektionsrisiken und möglichst langer Halbwertzeit in der Blutzirkulation“. 

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