ERC Advanced Grant für Max-Planck-Direktor Hans Schöler

Neuartiges Stammzellprojekt zu örtlicher Regeneration im Körper

9. Juli 2015

Professor Dr. Hans R. Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster erhält den renommierten ERC Advanced Grant vom Europäischen Forschungsrat. Für sein Forschungsprojekt PROMETHEUS stehen dem Stammzellforscher nun 2,5 Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung. Ziel des geförderten Projektes ist es, verletztes oder vom Alter beeinträchtigtes Gewebe im menschlichen Körper zu regenerieren – ohne dass Zellen von außen hinzugefügt werden.

„Mit dieser signifikanten Förderung vom Europäischen Forschungsrat können wir die Reprogrammierung von Zellen für die regenerative Medizin auf die nächste Ebene heben,“ freut sich Professor Dr. Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin. Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, kurz ERC) fördert ausschließlich höchst innovative Forschungsvorhaben von herausragenden Spitzenforschern. „Wir werden essenzielle Einblicke in die zellulären Prozesse von Stammzellen und Geweberegeneration innerhalb verschiedener Organe erhalten. Wir möchten herausfinden, wie wir Zellen in Geweben dazu anregen können, von sich heraus abgestorbene Zellen zu ersetzen und verminderte Funktionen wiederherzustellen“, so Schöler.

Einerseits gelten pluripotente Stammzellen des Menschen seit ihrer ersten erfolgreichen Kultivierung im Jahr 1998 als Alleskönnerzellen und wahre Hoffnungsträger. Diese pluripotenten Zellen können in der Petrischale in jeglichen Zelltyp des Körpers differenziert werden und könnten theoretisch für die Heilung oder zumindest die Linderung von Verletzungen oder Krankheiten genutzt werden. Andererseits gibt es auch nach ersten großen Fortschritten in der Stammzellforschung, wie zum Beispiel der Schaffung von ethisch unbedenklichen pluripotenten Stammzellen durch die sogenannte Reprogrammierung ausgereifter Zellen, immer noch keine zugelassenen Therapien auf der Grundlage pluripotenter Stammzellen. Ihre Alleskönner-Eigenschaft stellt zugleich auch eine große Herausforderung dar: wenn für eine Therapie solche ausdifferenzierten Zelltypen injiziert werden, dürfte keine einzige pluripotente, nicht differenzierte Zelle mehr vorhanden sein. Denn eine einzige Alleskönnerzelle könnte ein unerwünschtes und unkontrolliertes Differenzierungsprogramm durchlaufen und einen Tumor bilden.

Der von Professor Dr. Hans Schöler verfolgte innovative Ansatz zielt darauf ab, dieses Risiko auszuschließen: „In verschiedenen Organen möchten wir lokale Reservoirs gewebespezifischer Vorläuferzellen schaffen, welche die spezifischen Zelltypen in unmittelbarer Umgebung durch Teilung wieder auffrischen können. Dieser Weg führt jedoch nur über multi- und nicht über pluripotente Zellen, da sie ein wesentlich geringeres Tumorrisiko darstellen. An Ort und Stelle sollen somit ausgereifte Zellen zu den jeweiligen gewebetypischen Vorläuferzellen umprogrammiert werden, die ein durch Verletzung, Erkrankung oder Lebensalter geschädigtes Organ von innen heraus regenerieren sollen“, sagt Schöler.

Eine für diese Zielsetzung wichtige Schlüssel-Technologie stellen die sogenannte Organoide dar: aus Stammzellen werden 1-3 mm kleine, 3-dimensionale (3D) organähnliche Zellaggregate gezüchtet, die im großen Maßstab automatisiert hergestellt und untersucht werden können. Unter vielen tausenden Kombinationen von Transkriptionsfaktoren und kleinen bioaktiven Molekülen sollen jene Wirkstoffkombinationen - auch ‚Cocktails’ genannt - gefunden werden, die dann im Körper erfolgreich ausgereifte Zellen in entsprechende Vorläuferzellen umwandeln können.

„Diese neue, vielversprechende Organoid-Technologie bietet den großen Vorteil, dass im 3-dimensionalen Zellverbund eine Mikroumgebung entsteht, die die komplexe natürliche Zellumgebung im Körper viel besser nachbildet als bisherige 2D-Verfahren“, so Schöler. Organoide bilden somit einen wichtigen Zwischenschritt für die Optimierung von Wirkstoffkombinationen vor der späteren Testung im Tierversuch und der Anwendung am Menschen. Somit können sogar bisher notwendige und vorgeschriebene Tierversuche erheblich reduziert werden.

Der bisherige Fokus der Reprogrammierungsstudien von Professor Hans Schöler liegt im Bereich der Bildung von Zellen des Blut- und Nervensystems in der Kulturschale. Diese Expertise bildet die Basis für die Entwicklung neuer Wirkstoffe zur Schaffung von multipotenten Vorläuferzellen in diesen Organsystemen. Die Erforschung dieser Organe wird auf lange Sicht für die Gesellschaft große Bedeutung haben. Da sich das Gehirn nicht selber regenerieren kann, stellen altersbedingte neurodegenerative Erkrankungen bereits jetzt ein großes Problem dar; die Pflegekosten sind enorm. Blutkonserven sind nur begrenzt haltbar und für den klinischen Alltag bislang nicht in ausreichenden Mengen vorhanden. Auch Menschen mit geschädigtem Knochenmark könnten durch eine partielle Regeneration der blutbildenden Zellen profitieren.

Dieses vom ERC geförderte Projekt „PROMETHEUS“ wird die biomedizinische Grundlagenforschung gerade in Hinsicht auf die regenerative Medizin entscheidend vorantreiben und somit in der Zukunft der Medizin eine weitere therapeutische Säule den bereits etablierten zur Seite stellen. „Die Förderung durch den ERC zeigt, wie wichtig es angesehen wird, solch neue und innovative Wege in der regenerativen Medizin zu beschreiten“, stellt Hans Schöler fest. „Bei unserer immer älter werdenden Gesellschaft müssen wir versuchen, alles zu erforschen, was die neurodegenerativen Prozesse aufhalten oder zumindest verzögern könnte. Aber dafür ist es auch wichtig eine Pipeline zu entwickeln, um solche Durchbruchsinnovationen möglichst zügig zur Anwendungsreife zu bringen.“ Um dies zu erreichen, wurde von ihm und seinem Team das Konzept des CARE (Center for Advanced Regenerative Engineering) entwickelt. Dieses in Europa in seiner Art einzigartige Projekt eines Zentrums zur Medikamentenentwicklung hat großes Interesse in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Öffentlichkeit hervorgerufen. Hans Schölers Ziel ist nun, dass er es mit breiter Unterstützung aus diesen Reihen in naher Zukunft auf den Weg bringen kann.

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