MTZ®-MPI-Award 2016: Der Liebe wegen verschoben

Die diesjährigen Preisträger Dr. Jyoti Rao und Dr. Urs Langen geben sich am geplanten Datum das Ja-Wort

Gibt es einen schöneren Grund, eine Preisverleihung zu verschieben? Wohl kaum! Am 8. Dezember 2016, dem geplanten Termin für die jährliche Verleihung des MTZ-MPI-Award, feiern Jyoti Rao und Urs Langen ihre ganz eigene Zeremonie: in New Delhi, wo Jyoti Rao herkommt, geben sich die beiden das Ja-Wort.

Nun findet die Verleihung am 4. Januar 2017 statt. Anfang ist um 16 Uhr im Auditorium des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin. Die Preisträger Dr. Jyoti Rao und Dr. Urs Langen werden in kurzen, allgemein verständlichen Vorträgen (auf Englisch) ihre Forschung erläutern. Die Laudationes halten PD Dr. Boris Greber und Prof. Dr. Ralf Adams. Das Stifter-Ehepaar Monika und Thomas Zimmermann wird die Urkunden überreichen. Nach der Verleihung, um ca. 16:45 Uhr, haben Sie Gelegenheit, beim Sektempfang den Preisträgern zu gratulieren - zum Preis und zur Hochzeit.

Kennengelernt haben sie sich die Preisträger am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin. Dr. Jyoti Rao absolvierte ihre Doktorarbeit über die Differenzierung von Herzmuskelzellen aus embryonalen Stammzellen bei PD Dr. Boris Greber. Dr. Urs Langen stellte bei Prof. Dr. Ralf Adams seine Doktorarbeit über Blutgefäße im Knochen während der Entwicklung fertig.

Nicht genug der Feierlichkeiten: dieses Jahr feiert die MTZ®stiftung ihr 10jähriges Jubiläum. Die MTZ®stiftung fördert mit fünf verschiedenen Awards die junge wissenschaftliche Exzellenz, die mit ihren bahnbrechenden Forschungsergebnissen in neue Dimensionen bei der Erforschung von Krankheitsursachen und der Entwicklung von Arzneimitteln vorstoßen. Hierzu hat die MTZ®stiftung höchst anerkannte und traditionsreiche Institute und Universitäten und deren exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs für eine Förderung ausgewählt. Das Stifter-Ehepaar Monika und Thomas Zimmermann möchte auf diese Weise junge Menschen auf ihrem Weg in der Forschung unterstützen. Seit 2009 ehrt die MTZ®stiftung jährlich junge Wissenschaftler am MPI für molekulare Biomedizin mit dem MTZ®-MPI-Award, der mit 2.500 Euro dotiert ist.

Dr. Jyoti Rao: In zwei Schritten zu Herzmuskelgewebe

Aus pluripotenten Stammzellen erzeugtes Herzmuskelgewebe gewinnt für die Biomedizin zunehmend an Bedeutung. Dabei versuchen Forscher, die natürlichen Prozesse im frühen Embryo nachzuahmen. Durch Erkenntnisse der Entwicklungsbiologie haben sie zwar Hinweise, welche Gene bei diesen Prozessen eine Rolle spielen, doch wie die Differenzierung in Herzmuskelgewebe gesteuert wird, war bislang weitgehend unbekannt. Dr. Jyoti Rao, Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe von PD Dr. Boris Greber am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, hat diesen Mechanismus in menschlichen Zellen entschlüsselt. Vor allem bei der Anwendung von aus Patientenzellen gewonnenen Herzmuskelzellen für die Krankheits- und Medikamentenforschung sind diese Ergebnisse von hoher Relevanz.

Die Frage, wie ein Embryo alle Zelltypen des menschlichen Körpers kreiert, fasziniert schon seit ewigen Zeiten. Ähnlich wie die Zellen im frühen Embryo, sind menschliche embryonale Stammzellen (hES-Zellen) pluripotent, d.h. sie können sich in alle Zelllinien des menschlichen Körpers differenzieren; z. B. in Herzmuskelzellen, Nervenzellen oder Leberzellen. Mit Wissen aus embryologischen Studien in anderen Modellsystemen können durch gezielte Änderungen der externen Umgebung hES-Zellen in einer Petrischale in einen bestimmten Zelltypen differenziert werden. Umgekehrt können Protokolle zur hES-Zelldifferenzierung sehr gut als in vitro-Instrument für die Studie der menschlichen Embryologie verwendet werden.

Die Bildung von Herzmuskelzellen aus hES-Zellen verläuft stufenweise, wobei die Zellen bei jedem Schritt einerseits an Potenz einbüßen, dafür aber immer spezifizierter werden – bis sie zum Schluss schlagende Herzmuskelzellen sind. Der erste Schritt, vom pluripotenten Stadium zu einem Mesoderm-ähnlichen Status, geschieht durch die Aktivierung zweier Signalwege: BMP und WNT. Interessanterweise erfordert der zweite Schritt zu einem weiter spezifizierten Status die Hemmung des WNT-Signalweges. Obwohl man durch Eingriffe in diese Signalwege schlagende Herzmuskelzellen generieren konnte, war nicht bekannt, welche Rolle diese Signalwege tatsächlich spielen. In ihrer Doktorarbeit hat Dr. Jyoti Rao die Differenzierungsprozesse von hES-Zellen in Herzmuskelzellen intensiv untersucht und die genomweiten, molekularen Effekte, die diese Signalwege auslösen, bis ins Detail untersucht. Jyoti Rao und ihre Kollegen haben herausgefunden, dass die beiden Signalwege in einer kooperativen Art bestimmte Transkriptionsfaktoren blockieren. Diese Transkriptionsfaktoren fungieren als Repressoren der Herzmuskelzell-Differenzierung. Wenn sie nicht blockiert werden, würden sie die Zellen zur Differenzierung in andere Zelltypen umlenken. Ihre Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich die Differenzierungswege während der embryonalen Entwicklung mehrfach in verschiedene Richtungen gabeln, wobei jede Gabelung durch eine bestimmte Kombination und Dosis molekularer Signale kontrolliert wird.

Diese Arbeiten haben ein Licht auf die Grundlagen der frühen humanen Embryonalentwicklung geworfen. Das Verständnis solcher Grundlagen wird weitere Methoden vorantreiben, mit der Zellen in einem Zwischenstadium, womöglich mit einem vermehrenden Charakter, stabilisiert werden können. Kenntnisse der richtigen molekularen Signale und deren nachgeschalteter Effektorproteine könnten für die Optimierung von Differenzierungsprotokollen für die Verwendung in Pharmakologie, Zelltherapie und Krankheitsmodellen von großem Nutzen sein.

Jyoti Rao (28) machte ihren Bachelor Abschluss in Zoologie und ihren Master Abschluss in Genetik an der Universität von Delhi, Indien. Ihre Doktorarbeit absolvierte sie unter der Betreuung von PD Dr. Boris Greber, Leiter der Forschungsgruppe Human Stem Cell Pluripotency Laboratory am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin. Jyoti Raos Poster wurden auf wissenschaftlichen Konferenzen vielfach ausgezeichnet. Sie ist Erstautorin von drei wissenschaftlichen Publikationen – die wohl bedeutendste erschien in Cell Stem Cell – und Co-Autorin von drei weiteren Publikationen. Jyoti Rao wird als Postdoktorandin im Labor von Olivier Pourquié am Harvard Stem Cell Institute in Boston, USA, arbeiten.

Dr. Urs Langen: Knochenharter Job für Endothelzellen

Die Erforschung von Knochen ist technisch sehr schwierig. Folglich ist nur wenig über die genauen Mechanismen von Knochen- und Gefäßbildung bekannt. In einem Wissenschaftler-Team um Ralf H. Adams vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin hat Dr. Urs Langen die technischen Schwierigkeiten überwinden können und Färbungsmethoden für Knochenpräparate entwickelt. Dadurch haben die Wissenschaftler einen neuen Typ von Blutgefäßen im Knochen entdeckt, der die Knochenbildung fördert. Diese Ergebnisse könnten für die Entwicklung von zukünftigen Therapien für Knochenbrüche und Knochenschwund von großem Nutzen sein.

Blutgefäße ermöglichen nicht nur den Transport von Sauerstoff, Nährstoffen und Hormonen, sondern sie transportieren auch Kohlendioxid, Abfallprodukte und Gifte aus unserem Körper heraus. Blutgefäße sind keine starren Röhren, sondern bilden ein lebendiges Netzwerk, das von Endothelzellen ausgekleidet wird. Diese Zellen modulieren die Eigenschaften der Gefäße; sie sind sehr anpassungsfähig und bedienen damit den individuellen Bedarf der einzelnen Organe. Zudem haben neue Studien gezeigt, dass Endothelzellen auch Wachstums-, Strukturbildungs- und Regenerationsprozesse im umliegenden Gewebe steuern.

Wissenschaftler vermuteten schon länger, dass eine molekulare Verbindung zwischen Endothelzellen und knochenbildenden Zellen (Osteoblasten) existiert. Die genauen molekularen und zellulären Verflechtungen dieser Prozesse waren jedoch bislang unbekannt. Ebenso wenig war klar, wie das Netzwerk der Knochengefäße überhaupt aufgebaut ist. Diese Wissenslücke hat einen technischen Hintergrund: Der Knochen ist stark kalzifiziert und reich an Matrix, weshalb bildgebende Verfahren vorherige Dekalzifizierung und andere Arbeitsschritte erfordern. Diese Schritte können jedoch das Gewebe zerstören und so wichtige Details verschleiern. Wissenschaftler in der Abteilung von Ralf Adams haben Verfahren für die Knochenaufbereitung entwickelt, bei denen die feinen anatomischen Strukturen erhalten bleiben und visualisiert werden können.

In seiner Doktorarbeit hat Dr. Urs Langen entdeckt, dass sich die Architektur von Blutgefäßen im Knochen während der Entwicklung stark ändert. Während bestimmte Kapillaren die umliegenden Vorläuferzellen von knochenbildenden Zellen unterstützt, ist ein zweiter Typ von Kapillaren an Zellen des blutbildenden (hämatopoetischen) Systems gekoppelt. Die verschiedenen Arten von Blutgefäßen treten in bestimmten Bereichen des Knochens, haben verschiedene morphologische Eigenschaften und ihre Endothelzellen können mit Hilfe spezifischer Marker durch Durchflusszytometrie von einander separiert werden. Mit dieser Methode hat Urs Langen eine dritte Population Endothelzellen im Knochen identifiziert, welche während der Knochenbildung in sehr frühen Entwicklungsstadien zu finden sind. Mittels hochmoderner RNA-Sequenzierung fand er heraus, dass diese Population sogar noch stärker die osteoblastische Differenzierung antreibt, was wahrscheinlich ein schnelles Knochenwachstum im embryonalen und postnatalen Organismus begünstigt. Urs Langen zeigte zudem, dass die Spezifizierung von Gefäß- und Endothelzelltypen im wachsenden Knochen durch Interaktionen mit der extrazellulären Matrix kontrolliert wird.

Diese Entdeckungen ebnen den Weg für neuartige Therapien von Krankheiten mit defekter Knochenbildung. Denn wenn die Mechanismen bekannt sind, welche die Entstehung von solchen Endothelzellen und damit das Knochenwachstum begünstigen, dann könnte möglicherweise auch die Bildung von Knochen in verschiedenen humanen Erkrankungen angeregt werden.

Urs Langen (32) studierte Biochemie an der Universität von Tübingen in Deutschland. Seine Doktorarbeit absolvierte er in der Abteilung Gewebebiologie und Morphogenese am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin. Urs Langen ist Autor bzw. Koautor von drei Manuskripten, die veröffentlicht oder in Begutachtung sind. Er wird seine wissenschaftliche Karriere als Postdoktorand im Labor von Chenghua Gu im Department of Neurobiology der Harvard Medical School in Boston, USA, fortsetzen.

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